Ferdinando de Medici
Ferdinando de Medici (1666 - 1713), Prinz der Toskana wurde zu einer Zeit geboren, als die große Blütezeit dieses Fürstengeschlechts zumindest politisch längst erloschen war. Für die Musikwelt jedoch ist er eine der herausragenden Persönlichkeiten des späten 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts. Sein Hof war eines der brillantesten und gesuchtesten musikalischen Zentren Italiens. Mit dem ihm in Freundschaft verbundenen Alessandro Scarlatti pflegte er einen überaus reichen und erhellenden Briefwechsel über musikalische Fragen. Seine Weitsicht in der Förderung großer Talente wie Domenico Scarlatti, Bernardo Pasquini, Francesco Gasparini, Francesco Pistocchi und Giovanni Casini ist bemerkenswert. Georg Friedrich Händels prägende Italienreise ist ohne Ferdinandos Einladung nach Florenz sowie seine finanzielle wie ideelle Unterstützung nicht denkbar. Zudem war er an Neuerungen in der Musik interessiert, indem er beispielsweise die Experimente Bartolomeo Cristoforis um die Entwicklung eines Gravicembalo con Piano e Forte, unseres modernen Flügels also, unterstützte.

Ferdinando erhielt Unterricht in Kontrapunkt und Cembalospiel von Giovanni Maria Pagliardi (1637 - 1702). Sein cembalistisches Können, sein Mäzenatentum und seine Kunstliebe verliehen im bald den Titel Orfeo dei Principe. Einem zeitgenössischen Bericht folgend spielte er

verschiedene Instrumente mit einiger Perfektion, das Cembalo aber als ein Meister. ... Als er in Venedig weilte (wahscheinlich 1688) und ihm eine überaus schwere Sonate vorgelegt wurde spielte er sie, nicht nur ohne zu Zögern vom Blatt, sondern, ohne noch einmal darauf zu sehen wiederholte er sie aus dem Gedächtnis zum Erstaunen und zur Bewunderung der anwesenden Adeligen.


FERDINANDO DE MEDICI

IV SUITE
PER 
CLAVICEMBALO

für Cembalo






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Obwohl keine Musik Ferdinando direkt zugeschrieben werden kann, verweisen andere Zeugnisse auch auf seine Fähigkeiten als Komponist. Von seiner Musiksammlung, die mehr als 400 Bücher umfasste, fehlt bis heute jede Spur.

Leider läßt sich über das Manuskript, aus dem die hier vorliegenden Clavierwerke stammen, nichts genaueres sagen als das es aus der Bibliothek der Herzöge von Toskana stammt. Weder woher es genau kommt, noch wer tatsächlich der Komponist der Stücke ist. Die Zuschreibung an Ferdinando de Medici ergibt sich lediglich aus Indizien und Vermutungen. Es wird heute in der Biblioteca del Conservatorio di Musica Luigi Cherubini in Florenz aufbewahrt und trägt die Signatur MS D.2534. Es ist in Leder gebunden und mit Goldverzierungen versehen. In der Mitte des vorderen Einbanddeckels befindet sich das Wappen der Herzöge von Toskana. Auf dem Vorsatzblatt findet sich der spätere Eintrag Frescobaldo Gerolamo (1589 – 1644), eine Zuschreibung, die vollkommen aber ausgeschlossen werden kann. Die Musik ist ganz klar in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts anzusiedeln. Der Notenteil selbst ist sehr sorgfältig und klar in der typischen italienischen Rastrierung mit zwei Systemen zu sechs und acht Linien geschrieben. Lange Zeit blieb das manuskript unbeachtet, auch wurden keine Konkordanzen in anderen Handschriften gefunden, noch ist irgendeines dieser Werke je in einer modernen Edition erschienen. 1987 veröffentlichte Alexander Silbiger ein Faksimile, das dieser Ausgabe zugrunde liegt. Silbiger war es auch der zum ersten mal die Vernutung anstellte, das die Werke in einem direkten Zusammenhang mit Ferdinando de Medici stehen und eventuell von ihm komponiert worden sein könnten.

Bestellnummer eba4011
Preis 14,- € (Mail)

Die kostbare Aufmachung und die kalligraphische Präsentation könnten dieses Manuskript sehr wohl zu einem der verlorenen Bände machen, wie sie Ferdinando besessen hat. Es reiht sich nahtlos in ähnliche Sammlungen ein wie sie zum Beispiel Kaiser Leopold I anlegen ließ (übrigens auch von seinen eigenen Kompositionen) oder die Könige von Sachsen oder England. Der Stil der Werke ist ohne Nachfolger geblieben, auch das ein möglicher, obgleich spekulativer, hinweis auf einen nicht professionellen Komponisten.

Die 15 Stücke des Bandes sind klar nach Tonarten geordnet, von der jede Gruppe mit einem Preludio beginnt. Dies zeigt, dass es sich nicht um eine willkürlich angelegte Sammlung von Einzelwerken handelt, sondern dass sie als Suiten konzipiert wurde. Das Fehlen einer Suitenordnung wie sie sonst auf dem Kontinent gepflegt wurde, deutet wiederum nur auf die italienische Herkunft, denn eine solches ordnendes Prinzip hat in Italien nie Fuß fassen können. Die Suiten beispielsweise von Bernardo Pasquini oder Domenico Zipoli lassen ebenfalls keine oder kaum eine regelmäßige Ordnung erkennen. Wirklich bemerkenswert ist der dichte, klangvolle Stil, der mit seinen teilweise fünf- und sechstimmigen Akkorden und ihren zahlreichen Acciachature, "Versäuerungen" der Harmonie also, zumindest klanglich an die später entstandenen Klavierwerke Domenico Scarlattis erinnert, aber wie bereits erwähnt ohne folgen blieb. Damit unterscheiden sich diese wenigen Stücke grundlegend von den meist dünn-stimmig komponierten italienischen Werken dieser Zeit.

Für die italienische Schreibweise ungewöhnlich ist der Stil der beiden ausladenden Passagagli und der sechs Arie Francese. Erstere sind, wenn auch vielleicht nur indirekt, französisch in ihrer Rhythmik und Metrik beeinflusst, letztere hingegen lassen alles französische vermissen. Am ehesten mag man hierin noch eine sehr späte Form einer Canzona alla Francese erkennen. Allein die Petite Reprise, die in den Arie und teilen der Passagagli durch das Zeichen .S. angedeutet wird, mag als ein französisches Element herhalten. Allerdings wird in den Passagagli nicht immer klar wie weit die Wiederholungen reichen.

Nun sind aber natürlich gerade an Fürstenhöfen gegenseitige kulturelle Beeinflussungen hinreichend bezeugt und die Verbindung der toskanischen Herzöge nach Frankreich bekannt. Auch wurde der so oft beschworene Kampf um den einzig wahren Stil, dem italienischen oder dem französischen, längst nicht so erbittert ausgefochten wie oft angenommen. Was wäre die französische Musik ohne Luigi Rossi, Francesco Cavalli oder ganz besonders Giacomo Carissimi? Auf der anderen Seite sind zum Beispiel für Turin Aufführungen Lullyscher Werke verbürgt und selbst ein Mitglied der Familie Couperin wirkte dort als Cembalist. Auch in Städten wie Venedig oder Rom wusste man sehr genau auch praktisch um die Beschaffenheit fran-zösischer Musik.

Den Arie gemeinsam ist wie auch der Allemanda der Beginn mit einem Auftakt. Für die Allemanda ist das typisch, für die Arie jedoch nicht unbedingt. Als italienisch sind noch die beiden Tochate anzusprechen, die mit ihren sehr barocken Passaggi in der direkten Nachfolge Frescobaldis und Pasquinis stehen und eigentlich in dieser Ausprägung geradezu altmodisch wirken. Sehr italienisch sind auch die Preludii, die, nahe mit der Toccata verwandt, von diesen nur durch die gelegentliche Abwesenheit größerer Läufe zu unterscheiden sind, sich aber des Stils einer Durezze e Ligature bedienen. Einer besonders im Süditalien beliebten Kompositionsform, in der durch die Überbindung (Ligature) einzelner Noten Dissonanzen (Durezze) geschaffen werden, die dem Satz eine willkommene Schärfe verleihen. Eine typisch italienische Forderung ist außerdem die ausgesprochene Forderung nach Gesanglichkeit gerade in diesen harschen Stücken, denn zwei der vier Präludien ist außer der Einordnung con oder e Ligature auch noch das Wort Cantabile beigegeben.

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