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Wiegenlieder von Anton Estendorffer, Alessandro Poglietti, Franz Xaver Anton Murschhauser
VIELE BAROCKE WEIHNACHTSBRÄUCHE haben bis sich in unsere Zeit erhalten. Die Darstellung der Krippe etwa erlangte in 18. Jahrhundert in Italien, besonders aber in Neapel ihre volle Blüte. Zeremonien und Bräuche um diese Krippe herum nahmen dabei in der Weihnachtszeit eine besondere Stellung ein. Der Brauch etwa während der Christmette an der Krippe vorüber zu ziehen und die Krippe zu schaukeln, das sogenannte Kindelwiegen, wird noch immer im süddeutschen und österreichischen Raum gepflegt und verlangt geradezu nach einer entsprechenden musikalischen Untermalung, in der ein Wiegenlied oder eine Pastoralmusik kunstvoll gespielt werden kann.
Die Pastorale, eine Hirtenmusik, die ihren Ursprung wiederum in der italienischen Volksmusik hat, ist sicher eines der bekanntesten Beispiele für weihnachtliche Musik. Mit dem Concerto fatto per la Notte di Natale, dem Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli, findet es einen immer noch populären Höhepunkt. Das fare la Ninana, das Wiegenliedsingen, war nicht nur in Italien beliebt. Zahlreiche Weihnachtslieder handeln ausschließlich von dem elterlichen Bemühen, das Jesuskind zum Einschlafen zu bringen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurden ganze Kantaten zu diesem Thema komponiert, die am Weihnachtsabend in den Adelspalästen vor der Mitter-nachtsmesse aufgeführt wurden. Aber auch in kleineren Dimensionen, besonders der Orgel-musik, gibt es herausragende Beispiele weihnachtlicher barocker Phantasie.
Die Stücke dieses Bandes stammen aus dem österreichischen Kulturraum und sind Zeugnisse all dieser Bräuche.
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Anton Estendorffer (1670 - 1711) war organoeder celebris (gefeierter Organist), Philosoph, Jusrist und Priester an verschiedenen Orten im Donauraum. Seine Werke finden sich in einer Handschrift aus dem Jahr 1695 des Benediktiner-Abtei Ottobeuren zusammen mit Werken von Muffat, Poglietti und Kerll, allesamt mit dem kaiserlichen Hof verbundene Komponisten.
Cappricio super: Der tag der is so freüdenreich
Variationes super: Joseph lieber Joseph mein
Capritio super Cantum vulgarem: Laßt uns das kündelein wiegen
Der toskanische Komponist Alessandro Poglietti (1661 - 1683) war Hoforganist unter Kaiser Leopold I. und ist heute eher für seine bizarren Kompositionen mit Imitationen von Natur-geräuschen oder makabren Schlachtengemälden bekannt. Dabei ist es der Zyklus von zwölf Ricercaren durch die Tonarten, der ihn bei seinen Zeitgenossen berühmt gemacht hat.
Ricercar 11 VIti Toni Der Tag der ist so freudenreich
Franz Xaver Murschhauser (1663 - 1738) ist der jüngste der hier versammelten Komponisten und schrieb sicherlich das kurioseste Werk dieser Ausgabe. In seinen Variationen zum Lied Laßt uns das Kindelein wiegen taucht der Kuckuck auf, der sich als Zugvogel eigentlich im Winter nicht hören lässt. Der Zusammenhang mit dem Wiegen eines Kindes ist ebenfalls nicht ersichtlich, allerdings entzückend zu hören.
Variationes super Cant. Laßt uns daß Kindelein wiegen
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