Christian Flor: sämtliche Vokalwerke

Christian Flor (1626 – 1697) trug als Organist und Komponist der beiden großen Kirchen St. Lamberti und St. Johannis in Lüneburg wesentlich dazu bei, dass diese Stadt zu einem wichtigen Musikzentrum in Norddeutschland wurde. Er wurde als Sohn des dortigen Pastors in Neukirchen im Kreis Oldenburg (Holstein) geboren. Über seine frühen Jahre ist nichts bekannt. Ungewiss bleibt auch, ob er möglicherweise Schüler bei Heinrich Scheidemann (1595 – 1663) oder Franz Tunder (1624 – 1667) gewesen ist. Seine erste Anstellung erhielt er 1652 an der St. Marienkirche in Rendsburg, dem Jahr, aus dem auch die Choralbearbeitung über Ein feste Burg a 2 Clavier datiert ist. Spätestens seit 1654 ist Flor Organist der Lambertikirche in Lüneburg. Diese war zwar nicht die Hauptkirche Lüneburgs, hatte jedoch eine der bedeutendsten Orgeln Norddeutschlands, die Flor mit 40 Registern jede Möglichkeit zur Entfaltung seines Könnens bot. Einer seiner Freunde, der Kantor der Hauptkirche St. Johannis Michael Jacobi (1618 – 1663), bemühte sich wie Flor, die seit dem 30jährigen Krieg desolate musikalische Situation in Lüneburg wieder auf das frühere hohe Niveau anzuheben. Jacobi führte regelmäßige Passionsmusiken durch, bei denen Flor mitwirkte. Er setzte sich für das Schultheater ein und komponierte zahlreiche Lieder für Johann Rist und dessen Gesangbücher.

Mit dem Tode Michael Jacobis im Jahre 1663 bewarb sich Flor für das Kantorat der Johanniskirche. Diese Bewerbung war gewagt, hatte doch damals ein Organist für gewöhnlich nicht die notwendige Qualifikation zum Amt eines Kantors. Das Kantorenamt sah erst in zweiter Linie musikalische Tätigkeiten vor. An erster Stelle stand der zu erteilende Unterricht am Johanneum, erst dann kam die Organisation und Durchführung der gottes­dienstlichen Musiken in Lüneburg. Flors Bewerbung wurde abgelehnt. Dennoch lieferte Flor Kompositionen, die weit über das übliche von einem Organisten verlangte hinausgingen. Allerdings war er in den Anlässen zur Komposition sehr eingeschränkt.

Immerhin sind uns insgesamt 15 Gelegenheitskompositionen zu Trauerfeiern und Hochzeiten, etwa 250 Lieder, eine fragmentarisch erhaltene Passionsmusik, drei Orgelpräludien, elf Cembalosuiten (eba4022), 37 Tanzsätze und 14 Choräle (eba4006) überliefert.

CRISTIAN FLOR
1620 - 1684

DAS GLÄUBIGE SENFKORN
1665

Das ist
ANDÄCHTIGE UND INBRÜNSTIGE
HERTZENS=SEUFFTZER/
Lübeck, 1665
Vokalwerke Band VIII.

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AS GLÄUBIGE SENFFKORN erschien 1665 in Lübeck. Es war bereits Flors dritter Beitrag zur Gattung des Liedes. Flors Lieder sind weniger für den Gottesdienst, als vielmehr für den Privatgebrauch und die häusliche Andacht bestimmt. Darauf lässt schon die Beifügung des Generalbasses schließen, für den es in kirchlichen Gesangbüchern keine Verwendung gab. Besonders wichtig für das (Nord-)deutsche Barocklied waren die Dichtungen von Johann Rist (1607 – 1667), dessen Vorstellungen zur Vertonung seiner Texte wegweisend wurden. Rist forderte für seine Texte vor allem Einfachheit: Puritas und luciditas. Dem aufkommenden Vorwurf, dass das Schreiben einfacher Lieder keine Kunst erfordere entgegnete Rist: Ein Komponist kan seine Kunst anderswoh vielleicht besser anlegen und sehen lassen. Flor mochte diesem Gebot offenbar nicht folgen. Schon seine ersten Beiträge für Rists Musikalisches Seelenparadies von 1660 und 1662 enthielten nach Rists eigenen Worten eine gahr besondere, Ahrt, und mehr Kunst in sich.

Ähnlich drückt sich 1665 auch Georg Heinrich Weber in seinem Gläubigen Senffkorn aus, wenn er die Melodien Ihrer Kunst und Würde halber empfiehlt. Dabei sind die Melodien des Senffkorns schon schlichter gehalten als die vorhergehenden. Die Lieder seiner letzten Sammlung, der Heiligen Nachtmahls Musik von 1676 kommen den Forderungen Rists bei weitem am nächsten. Besonders interessant ist der Beschluß des Buches, der offenbar von Flor selbst verfasst wurde und sich (erneut) gegen den Vorwurf wehrt, Lieder geschrieben zu haben, die nicht den durch Johann Rist gestellten Anforderungen nach Einfachheit nachkommen. Selbstbewusst ist Flor bereit seine Werke zurückzuziehen oder mit der Komposition von Liedern aufzuhören. Stattdessen bliebe abzuwarten, ob er von seinen Kritikern etwas Künstlichers und bessers kennen lernen wird. Flor weiß also, dass seine Lieder ein recht hohes Verständnis seitens seiner Ausführenden
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